Steinbrück, der als erster noch vor der Kanzlerin im Plenum sprach, stellte zunächst fest, dass Deutschland auf den ersten Blick gut dastehe; dem Mittelstand geht es recht gut, die Arbeitslosenquote ist gering, die Steuereinnahmen sind hoch. „Wir sind wie Alice im Wunderland“, konstatierte Steinbrück und fügte nach kurzer Pause an: „trotz dieser Bundesregierung!“

Er habe im internen Recherchesystem des Bundestages recherchiert und bei Schwarz-Gelb keinen einzigen Treffer zum Thema Mittelstand gefunden. Steinbrück: „Sie sorgen nicht vor für schwierige Zeiten, so wie die SPD es in der Großen Koalition getan hat, zum Beispiel mit Maßnahmen wie der Kurzarbeit. Sie beschäftigen sich nicht mit den Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen.“ Steinbrück fragte die Kanzlerin: „Was sagen Sie zu den steigenden Mieten? Was sagen Sie zur Spaltung des Arbeitsmarktes? Was sagen Sie zur ungerechten Bezahlung von Frauen und Männern? Sie haben nur die Flexi-Quote zu bieten. Aber wo ist Ihre Initiative zur Entgeltgleichheit?“

Der SPD-Finanzexperte nahm sich auch der verkorksten Energiewende der Koalition an. „Sie veranstalten einen Gipfel nach dem anderen. Aber weiß noch irgendjemand, welcher Gipfel welches Ergebnis hatte?“, fragte Steinbrück. Merkel biete „Gipfel statt Strategien, Palaver statt Lösungen“.

"Sie sind nicht die Präsidentin"

Er schlussfolgerte: „Sie kämpfen nur mit und für sich, aber nicht für die Menschen.“

Steinbrück erinnerte die Kanzlerin an ihre originäre Aufgabe: „Sie schweben nicht wie eine Präsidentin über Ihrem Kabinett, wir haben nämlich schon einen Präsideten. Sie sind als Chefin direkt verantwortlich für Ihr Kabinett und die schlechte Arbeit“. Die Koalition bediene nur Einzelinteressen. Er fragte Merkel, wo sie das gelernt habe, sich nie zu äußern in der Innenpolitik, immer so lange zu warten, bis es eine Mehrheitsmeinung gebe und dann auf den Zug zu springen. Er rief der Regierung zu: „Ihre Stümperei muss aufhören!“

Stattdessen sei es endlich an der Zeit, dass die Regierung den Menschen die Wahrheit sage über Griechenland, endlich Klartext rede. Als Beispiel führte er an, dass Griechenland auch in den nächsten zehn Jahren nicht zu seriösen Konditionen an die Kapitalmärkte zurückkehren kann. Merkel solle endlich eingestehen, dass wir uns längst in einer Haftungsunion befinden. „Sagen Sie einfach, was ist, Frau Merkel. Damit beginnt jede Politik.“

Er erinnerte die Kanzlerin an ihre Versprechen, für einen Wachstums- und Beschäftigungspakt für Europa zu sorgen, für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Steinbrück warnte ganz deutlich: „Führen Sie uns hier hinter die Fichte, holen wir für Sie die Kastanien nicht mehr aus dem Feuer, wenn Sie uns brauchen!“

Zuvor hatte sich SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vor der Presse geäußert. Er nahm Stellung zu den Ausführungen von Finanzminister Schäuble (CDU), der am Morgen die Fraktionssitzung der SPD besucht hatte. Steinmeier sagte, der Bundeshaushalt für 2013 sei "schon nächste Woche wieder Makulatur", sprich, veraltet. Die Regierung könne neue Griechenland-Hilfen weder beziffern noch erklären, woher das Geld genau kommen solle. Erkennbar sei nur, dass es den Haushalt im kommenden Jahr belasten werde. Steinmeier: "Die Debatte um einen Schuldenschnitt ist gescheitert. Es werden also wieder rote Linien gesetzt, die die Regierung am Ende überschreiten muss. So kommen wir nicht über die Runden." Die gegenwärtige Situation, wie es mit Griechenland weitergehe, empfindet der Fraktionschef als "bedrückend". Und ärgerlich ist für ihn, dass die Haushaltsberatungen zwar am Freitag dieser Woche abgeschlossen sein sollen, am Montag dann aber erst bei einem Euro-Gipfel entschieden werden soll, wieviel Steuergeld für weitere Griechenland-Hilfen 2013 aufgewendet werden muss. "Das ist kein ordentlicher Umgang mit dem Parlament", so Steinmeier. Wolfgang Schäuble tue so, als ob man mit neuen Krediten das Problem in die Zukunft legen könne.

Griechenland hatte auf eine Lösung gehofft, weil das klamme Land dringend frisches Kapital braucht. Doch in der vergangenen Nacht konnten sich die Finanzminister der Euro-Länder nicht auf eine gemeinsame Lösung einigen.

 

Alexander Linden